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MIEDER
Mieder
auch: Schnürbrust, Brust, Brüstlein, Schnürleib, Leib, Leiblein, Leibstück, Corps, Korsett

Schnürbrust - Mieder

Mieder und Brust sind Oberteile zur Frauenkleidung, die mittels Versteifung und Schnürung den Oberkörper, teils auch die Hüften formen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts und auch schon früher finden sich Brust und Mieder als nicht eindeutig unterscheidbare Begriffe. Um einer Begriffsverwirrung vorzubeugen, kann der Begriff Schnürbrust für ein eher von der Oberschicht zur Unterkleidung getragenes Kleidungsstück verwendet werden. Das Mieder wäre dann ein eher in bürgerlichen Schichten getragenes Kleidungsstück, das sichtbar getragen wird, allerdings außer Haus in der Regel mit einer Jacke darüber (Vergl. Bender, Alexa) bzw. mit Miederärmeln. Nur von jungen Mädchen (ledigen), Frauen beim Tanz, bei der Feldarbeit, von Mägden bei Besorgungen bzw. von Marktfrauen sind Abbildungen ohne Jacke überliefert.

Ein Stecker kann bei vorne verschlossenen Miedern den vorderen Ausschnitt verdecken.

Korsett

Erst ab dem 19. Jahrhundert wird das Mieder auch Korsett genannt, womöglich wurde das Mieder eher sichtbar getragen, das Korsett als Untergewand. "Der Begriff [...] ist eingebürgert als ein den Körper formendes, starres, geschnürtes Teil der Unterkleidung, daß ich ihn auch für frühere Epochen verwende" (Bender, Alexa). Das Korsett konnte bei langen Hofzeremonien in schwerer Kleidung auch eine den Rumpf stützende Funktion haben. Der Begriff Korsett taucht ab der 2. Hälfte des 18. Jh. in Inventaren des Landkreises Augsburg auf (vergl. Hartmann, Anni u.a.).  Hier könnte allerdings ein nur leicht gesteiftes, eng anliegendes Oberteil mit angenestelten Ärmeln gemeint sein, das im frz. im 18. Jh. als "corset" zu finden ist (Alexa Bender hat ihre Bücherschätze gewälzt).

Brüstlein, Leiblein, Schnürmieder, 17. Jahrhundert

In schwäbischen Quellen des 17. Jahrhunderts finden sich "Brüstlein" bzw. "Leiblein". Sie gehören zur Oberbekleidung und sind Oberteil des zweiteiligen Frauengewandes. Meist wurden sie aus schwarzen oder weißen Woll- und Leinenstoffen, häufig Barchent, Seide, Taft, Damast, Pelz (wohl eher als Besatz oder Futter) gearbeitet. Neben der Bezeichnung "Brüstlein" findet sich das "Schnürmieder". Es ist ab ca. 1630 auch rot (vergl. Hartmann, Anni).

Ab Ende 17. Jh. ist die Bezeichnung "Schnürleib" in der Oberpfalz zu finden (vergl. Ritz, Wahlstätten, S. 143).

Mieder

Die Benennung der Miederformen in Rokokomieder, Kurzmieder, Wulstmieder, Steppmieder ist in Anlehnung an den Ausstellungskatalog "Adrett geschnürt" gewählt.

Rokokomieder, 18. Jh.

Das Rokokomieder streckt die Länge des Oberkörpers optisch, die Taille wird durch das Mieder schlank geschnürt und die Brust flach gedrückt bzw. hoch in das Dekolleté gedrängt.

Das Rokokomieder ist mit Fischbein versteift, das zwischen zwei Leinenlagen in absteppte Kanäle eingeschoben wurde. Das Mieder wurde teilweise zusätzlich mit Stoff bezogen, so daß die Absteppungen nicht immer sichtbar sind. Die am Mieder in der Taille angeschnittenen Laschen (auch Zaddeln oder Lappen genannt) wurden unter dem Rock getragen (und sind oft mit Leder bezogen), die vordere Schneppe und ein oder mehrere abgesteifte Schneppen hinten lagen über dem Rock und sind dann entsprechend verziert (z.B. eingefasst wie die Oberkante, mit Oberstoff und nicht mit Leder bezogen o.ä.). Die Kanten des Mieders wurden eingefaßt, Borten können zusätzlich aufgenäht sein (sie liegen meist über den Nähten und sind teilweise auf den Schulterblättern zu einer Rosette aus drei Schlingen gelegt). Die Schneppe bzw. die vordere Mitte des Mieders kann mit der Planchette bzw. dem Blankscheit versteift sein. Sie wurde in ein eingearbeitetes Futteral eingeschoben. Die Träger sind meist hinten angeschnitten und können in der Länge verändert werden, meist mittels Schnurlöchern im vorderen und rückwärtigen Trägerstück, durch die ein verbindendes verschleiftes Band gezogen wurde. Hinten geschnürte Mieder haben häufig vorne eine Zierschnürung. Ab etwa 1760/70 wurden die Mieder meist vorne verschnürt, statt der Schnürlöcher können auch Miederhaken angenäht sein. Unter die wegen der variablen Weite praktische dreieckige vordere Öffnung wurde der "Miederstecker" geschoben. Stecker wurden auch über der Schnürung getragen und dann z.T. mittels angenähter Stoffschlaufen aufgesteckt oder durch ein zweite Zierschnürung gehalten. Seitlich über den Laschen bzw. Zaddeln können als Rockstütze Polster angenäht sein. Diese Hüftwülste bestanden aus mit Werg gestopftem Leinen. (Vergl. Kat. Adrett geschnürt, S. 12. Loschek, S. 356.)

In Schwaben ist von 1730 bis 1800 das Mieder beliebt in rot, auch schwarz, grün, blau oder/ und geblümt. Borten und Tressen in silbern, golden, leonisch werden als Besatz genannt. Dazu wird der "Brustfleck", der "Fürstecker", der "Preisriemen" aus Wolle, und die "Schnürkette", eine Silberkette in den Nachlaßinventaren erwähnt.

Wulstmieder, ab Ende 18. Jh.

Wulstmieder sind ohne Versteifung gearbeitet. In der weit oben sitzenden Taille ist statt Laschen bzw. Zaddeln ein mit Werg ausgestopfter Hüftwulst zum Tragen des Rockes angenäht. Wulstmieder werden über einem Stecker bzw. Brustlatz verschnürt.

Kurzmieder, ab Anfang 19. Jh.

Das Kurzmieder ist - wie der Name schon sagt - ein sehr kurzes Mieder, das entsprechend der Empiremode nur bis unter die Brust reicht. Es wurde im frühen 19. Jahrhundert und in einigen Regionen - z.B. in protestantischen Ortschaften bei Memmingen - wesentlich länger getragen. Wohl eher als bürgerliches Kurzmieder ist es auch nicht versteift zu finden.

Kurzmieder aus Schwaben sind versteift. Zusätzlich zu den Schnürlöchern für den eigentlichen Verschluß sind Haken (meist einfach aus starkem Draht geformt) für eine Zierverschnürung aufgenähte. Die meisten Miederstecker, wenn welche zum Kurzmieder dazu gehören, haben in der vorderen Mitte Haken, die die Zierschnürung zusätzlich halten. Vorne bzw. oben sind die Miederträger mittels Schnürlöchern und Schleife in der Länge verstellbar. Der Rücken ist breit geschnitten, der Halsausschnitt ist rund. Aufgenähte Gold- oder Silberborten und Stickereien verzieren die Mieder. Die am Mieder in der Taille angeschnittenen Laschen (Zaddeln, Lappen) wurden unter dem Rock getragen und sind meist mit Leder überzogen. Auch die Kanten sind meist mit Leder eingefasst. Die vorderen Schneppen und eventuell ein oder mehrere dann entsprechend verzierte Schneppen hinten lagen über dem Rock. Hinten sind meist Schürzen- bzw. Rockhaken angenäht. (Vergl.: Adrett geschnürt, S. 16. Mai, Kleidung, S. 114ff.)

Steppmieder, 1820 bis um 1850

Die Steppmieder haben zur Biedermeierzeit noch eine hoch liegende Taille. Bei ihnen sind die Stepplinien, zwischen die die Versteifung eingeschoben wird, dicht beieinander liegend und mit Gold- oder Silberfaden betont. Sie haben neben der versteifenden auch zierende Funktion. In der Übergangszeit finden sich Steppmieder mit angeschnittenen Schneppen und Laschen wie die Kurzmieder, meistens enden sie jedoch in bzw. oberhalb der Taillenhöhe.

Das Mieder wird vorne unter einem Übertritt verschlossen. Das Steppmieder kann außerdem mit einer Zierschnürung mit silbernen Miederhaken versehen sein. Der Rücken ist oft schmal geschnitten und der Halsausschnitt hinten meist v-förmig und vorne nach oben gebogen. Zwischen die Stepplinien wurden verleimte Roßhaare, Peddigrohr oder evtl. auch Fischbeinstäbe zum Versteifen eingeschoben. Die oberen Kanten sind meist mit einem köperbindigen Band eingefasst, das aus goldgelber Baumwolle (?) gewebt ist. Nur in der beim Einfassen sichtbaren Hälfte wurden Lahn und Goldlaméfäden mit eingewebt. Die Stickerei (Sprengarbeit) wurde häufig über Karton ausgeführt.

Steppmieder, spät, ab etwa 1850

Die späten Steppmieder der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden unter dem Übertritt mit Haken und Kette geschlossen. Sie sind vorne schildartig hoch geschnitten und in der Regel Schwarz. Die meist goldene oder schwarze Stickerei wurde eher aufwendig und flächenfüllend ausgeführt. Häufig ziert eine breite goldene Metallklöppelborte den Ausschnittverlauf. Diese Steppmieder wurden neben den zierlicher geschnittenen Steppmiedern der Biedermeierzeit bis über die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert getragen und sind daher im Aichacher Land, wo die Tracht entsprechend lang getragen wurde, oft zu finden.

Steifes Mieder

Das steife Mieder ist ein Steppmieder mit sehr dicht liegenden versteifenden Kanälen, die vielfältige Muster bildend meist mit der Nähmaschine genäht wurden/ werden. In die Kanäle ist Peddigrohr eingeschoben. Das Mieder ist zusätzlich mit Roggenmehlpapp oder Leim versteift. Die Mieder sind meist Ton in Ton bestickt.

Steppmieder, erneuert, 20. Jh.

Für Steppmieder in der erneuerten Form des 20. Jahrhunderts wurden Schnittlinienführung und Verarbeitungstechniken verschiedenen Epochen entlehnt. Sie haben häufig einen separat angefertigten Miederlatz (eher wie die Mieder des 18. Jahrhunderts), einen Halsausschnitt und mit eingezogener Kordel versehene Kanäle, die die Zierformen der Mieder des 19. Jahrhunderts nachempfinden. Diese Mieder haben eine weite Verbreitung in Schwaben und darüber hinaus gefunden.

Literaturauswahl

Adrett geschnürt, Schnür- und Steppmieder vom Rokoko bis zur Gegenwart aus der Sammlung des Carolino Augusteum. Salzburg 1999.

Bender, Alexa: La Couturière Parisienne, www.marquise.de.

Bender, Alexa: www.marquise.de/howto/18corset.shtml (hier Ausdruck vom 2001.10.04.).

Fontanel, Béatrice: Support and Seduction. A History of Corsets and Bras. New York, 1997.

Hartmann, Anni: Kleidung und Tracht im Wandel der Zeit. In: Pötzl, Walter/ Hartmann, Anni: Häuser, Möbel, Trachten. Zur Sachkultur des Volkes (= Der Landkreis Augsburg Bd. 8). Augsburg 1993, S. 194-329.

Loschek, Ingrid: Reclams Mode- & Kostümlexikon. Stuttgart 1999, 4.

Mai, Monika: Kleidung, Bestandskatalog des Schwäbischen Bauernhofmuseums Illerbeuren. Kronburg-Illerbeuren 1994.

Ritz, Gislind/ Zaborsky-Waldstätten, Oskar v.: Die Tracht in der Oberpfalz. Kallmünz 1985.

Wandinger, Alexander: Tracht ist Mode. Benediktbeuern 2002.

Waugh, Norah: Corsets and Crinolines. New York, 1954, Reprint New York, 2000.

Waugh, Norah: The Cut of Women`s Clothes 1600-1930. London, 1968.

Dokumentationen: Detailbeschreibungen einzelner Kleidungsstücke
Schnürmieder 1840/50 bis 2. Hälfte 19. Jahrhundert
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Stecker Ende 18. Jahrhundert
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