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ÄRMEL
Ärmel

Ärmelschnitte und -formen der Frauenmode

Ärmelschnitte und - formen sind eine gute Datierungshilfe in der Kleidungskunde. Die Schnitte und somit die Silhouetten variieren über kurze Zeiträume in markanten Details. Anhand von Niederschönenfelder Votivtafeln abgelöst von Fotografien ist die Entwicklung der Ärmelmode hier für eine Region nachvollzogen, die für ganz Schwaben vergleichbar ist.

Flossenärmel, 18. Jahrhundert

In der Mode: Halblange bzw. dreiviertellange ein- oder zweiteilig geschnittene enge Ärmel mit Ärmelaufschlägen waren ab 1700 und vereinzelt bis 1770 allerdings dann nur bei älteren Damen der Oberschicht Mode. Die weit herunter hängenden Ärmelaufschläge wurden separat vom Ärmel gearbeitet. Sie wurden in Falten gelegt, die in der Armbeuge eng übereinander genäht wurden und offen herunter hingen. Später wurden die Ärmelaufschläge auch an den Ärmel angeschnitten und aufgeschlagen, sie hatten die Form von Fischflossen (Flossenärmel).

In der Tracht: Auf Votivtafeln aus Niederschönenfeld werden Flossenärmel von 1779 bis 1798 dargestellt, 10 bis 30 Jahre nach ihrer Blütezeit in der Mode.

Enge lange Ärmel, 1770 bis frühes 19. Jh.

In der Mode: Von England beeinflußt brachte die Mode nach 1770/75 enge, am Oberarm glatt anliegende lange Ärmel. Sie waren teils mit einer Rüsche am Saum besetzt und bis Anfang des 19. Jahrhunderts modisch.

In der Tracht: Auf den Niederschönenfelder Votivtafeln sind die engen, langen Ärmel ab 1798/1801 bis 1817 nachweisbar.

Hammelkeulenärmel, 1820 bis 1850

In der Mode: Keulenärmel waren ab 1825 modisch. Um 1835/38 war der Ärmel extrem breit, der sogenannte Hammelkeulenärmel oder Schinkenärmel.

In der Tracht: Auf zwei Votivtafeln (um 1830/1840 und von 1834) trägt die Votantin einen breiten Keulenärmel.

In der Mode: Im Sommer 1836 wurden die Ärmel auf dem Oberarm erstmals in Falten gelegt, die erst in Ellbogenhöhe aufsprangen und am Handgelenk wieder schmal wurden. Der Ärmelschnitt hatte sich dabei nicht geändert.

In der Tracht: Einige Frauen im Rainer Winkel und in Mittelschwaben tragen diese Ärmel an ihren biedermeierlichen Trachten zu Reginahauben auf Fotografien bis um 1900.

Immer noch Keulenärmel, 1850 bis Ende der 60er Jahre

In der Mode: Ab 1845/50 waren die Ärmel auf dem Oberarm, der unterhalb der verbreiterten Schulter ansetzte, wieder schmal geschnitten.

In der Tracht: Im Rainer Winkel und auch im Aichacher Land bleibt der Ärmelschnitt von der Mode unbeeinflußt. Nur Vorder- und Rückteil der Jacke sind beeinflußt von der Mode mit Abnähern, Rückenteilungsnähten und angeschnittenem Schoß gearbeitet. Der Keulenärmel des Biedermeiers wird beibehalten. Dieser wattierte, einteilig geschnittene Keulenärmel mit eingekräuselter Armkugel wurde im Rainer Winkel als "geschopfter Ärmel" bezeichnet. Interessanterweise ist der Ärmelschnitt des Rüschenspenzers aus der Mitte des 19. Jahrhunderts identisch mit dem heute noch verwendeten Schnitt für den "geschopften Ärmel" des "boarischen Gwandes". Das "Boarische Gwand" wird seit etwa 1860 zunächst von Kindern getragen.

Zweinähtige Ärmel

In der Mode: Die Ärmel wurden ab etwa 1885/90 aus zwei Teilen, dem schmalen Unterarm und dem Oberarm, genäht. Sie hatten eine leichte Oberarmpuffe.

In der Tracht: Auf Familienbildern aus dem Rainer Winkel ab etwa 1910 trägt die Mutter häufig noch das an den "geschopften Ärmeln" und dem großen hellen, vorne verschlungenen Halstuch erkenntliche "Boarisch Gwand". Ihre Töchter kleidet sie in die modischere "Pfaizler" bzw. "Unterländische Tracht" ein, deren Spenzer samt Ärmeln kaum von einem zur Gründerzeit modischen Kleidoberteil unterschieden werden kann.

Auch die Ärmel der weit verbreiteten Kitteljacken (Ries, Mittelschwaben, Mittelfranken ...) sind zweinähtig und haben oft leichte Oberarmpuffen.

 

Mit Ergänzungen zitiert nach Hoede, Monika: Kleidung im Rainer Winkel vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. In: Findel/ Hoede/ Hofgärtner, Rainer Winkel, Nördlicher Lechrain. Trachten in Bayern Heft 6, Hrsg. Bezirk Schwaben und Bayerischer Landesverein für Heimatpflege. München 2001, S. 54-58.